Das Netzwerk Autorenrechte hat sich mit dem verbandsübergreifenden Projekt #frauenzählen bei „Voices Of Culture“ (Goethe-Institute/EU Kommission) mit einem Konzept zu „Gender & Culture“ beworben – und nun ist das NAR als 1 von 35 europäischen Künstlerinnen- und Künstlerorganisationen mit dabei! #frauenzählen entwickelt damit erstmals direkt und aktiv Konzepte für die EU Kommission mit – zu Fragen der Diversität in der Kultur. Mehr lesen
Die Pilotstudie „Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“ ist das erste Ergebnis des langfristigen Forschungsprojekts #frauenzählen der verbandsübergreifenden AG DIVERSITÄT im Literaturbereich. Das Projekt #frauenzählen ist nach dem Abschluss des von der Staatsministerin für Kultur und Medien einberufenen „Runden Tisches zu Frauen in Kultur und Medien“ von teilnehmenden Expertinnen zur eigenständigen Fortsetzung der Datenerhebung konzipiert und realisiert worden. Mit dieser und weiteren Studien möchte das Projekt #frauenzählen umfassende Datenreports zur Sichtbarkeit von Autorinnen in der Literaturkritik, bei der Vergabe von Literaturpreisen, in Verlagsprogrammen, in schulischen Lehrmaterialien, in Jurys oder bei der Stipendienvergabe zusammenstellen.
Die fortgesetzten Analysen sollen strukturelle Probleme, ihre Ursachen und Wirkungen aufdecken, sowie zur Erarbeitung konstruktiver Vorschläge beitragen, um die Geschlechtergerechtigkeit im Literaturbereich zu erhöhen.
Die vorliegende Studie „Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“ ist in Kooperation mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock als Pilotprojekt konzipiert und durchgeführt worden.
Im Monat März 2018 wurden 2036 Rezensionen und Literaturkritiken in 69 deutschen Medienformaten (Print, Hörfunk, TV) von 45 Freiwilligen codiert, nach bestimmten Parametern statistisch ausgewertet und analysiert. Die Leitfragen lauteten:
Lassen sich Unterschiede in der medialen Präsenz, in der Häufigkeit und im Umfang der Besprechungen von Autorinnen im Vergleich zu Autoren ausmachen?
Existieren hierbei spezifische Merkmale, die auf das Geschlecht der Rezensierenden zurückzuführen sind?
Welche Genres werden in welchem Umfang vom wem besprochen?
Lassen sich darin wiederum Signifikanzen in der Geschlechtsverteilung (besprochene Autorin/Autor, Kritiker/Kritikerin) feststellen?
Die Pilotstudie „Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“ dient als Grundlage für tiefer gehende Gender-Untersuchungen der Literaturlandschaft. So sollen die erarbeiteten Ergebnisse im Rahmen einer Vollerhebung über einen längeren Analysezeitraum überprüft und repräsentativ vertieft werden, etwa im Vergleich mit den im Erhebungszeitraum veröffentlichten Büchern.
Executive Summary
Im Verlauf des Monats März 2018 wurden 2036 Rezensionen aus 69 deutschen Medien (Print, Hörfunk und TV) statistisch erhoben und sozialwissenschaftlich ausgewertet. Die Auswahl der Medien erfolgte im Sinne eines repräsentativen Abbilds des deutschen Journalismus.
Die Auswertung zeigt, dass die Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb in deutlicher Weise hinter der von Männern rangiert. Die Hauptergebnisse in Kürze:
Auf zwei Männer kommt eine Frau.
In allen Medien, mit Ausnahme von Frauenzeitschriften, werden männliche Autoren häufiger und ausführlicher besprochen: Zwei Drittel der besprochenen Bücher sind von Männern verfasst worden. Dieses Verhältnis von „2 zu 1“ trifft auf alle Mediengattungen zu.
Männer schreiben mehr über Männer. Und Frauen? Meistens auch.
Die Kritiken werden überwiegend, im Verhältnis 4 zu 3, von Männern verfasst. Männer besprechen darüber hinaus vor allem Männer: Drei Viertel aller von Männern besprochenen Werke sind von Autoren verfasst worden. Frauen dagegen besprechen Autorinnen wie Autoren tendenziell in eher ähnlichen Häufigkeit.
Sachbuch und Krimigenre: Auf besprochene 5 Autoren kommt 1 Autorin.
Die überproportionale Aufmerksamkeit, die Autoren durch Kritiker erfahren, besteht in nahezu allen Literaturgenres: Im Bereich Sachbuch ist lediglich jedes fünfte durch einen Mann rezensierte Buch von einer Autorin verfasst. In der Kriminalliteratur ist der Unterschied am größten: Nicht nur, dass mit 76% mehr Autoren als Autorinnen vorgestellt werden; es rezensierten zudem 82% Männer am liebsten Männer in diesem Genre.
Mehr Raum für Männer, die über Männer schreiben.
Die von Männern verfassten Besprechungen sind deutlich ausführlicher als die von Frauen. Zudem räumen Kritiker auch den Werken von Autoren einen größeren Raum ein. Damit erhöht sich die Sichtbarkeit von Autoren zusätzlich. Auch hier ist ein deutliches Ungleichgewicht im Krimibereich festzustellen.
Mehr Sichtbarkeit im TV für Männer – nur im Radio sind Frauen unüberhörbar.
Für den TV-Bereich lässt sich eine eklatant größere Sichtbarkeit von Autoren feststellen: Während die Werke von Frauen im Durchschnitt 580 Sekunden lang besprochen wurden, betrug die Länge bei Autoren 931 Sekunden. Im Radiobereich dagegen wurden Autorinnen zwar seltener, aber dafür etwas länger besprochen.
Fazit: Autoren und Kritiker dominieren den literarischen Rezensionsbetrieb: Zwei Drittel aller Rezensionen würdigen die Werke von Autoren, Männer schreiben weit überwiegend über Männer und ihnen steht ein deutlich größerer Raum für Kritiken zur Verfügung. Einzig das Kinder- und Jugendbuchgenre erscheint als ausgeglichenes Genre; die als intellektuell oder „maskulin“ empfundenen Genres wie Sachbuch und Kriminalliteratur werden von Autoren wie Kritikern vereinnahmt.
Das Langzeitprojekt #frauenzählen wird von der AG DIVERSITÄT konzipiert und realisiert. Die Mitglieder der AG setzen sich zusammen aus ehrenamtlich forschenden Kulturschaffenden (Historiker, Autorinnen, Übersetzerinnen, Ethnologen, Politologinnen) der Literaturverbände PEN-Zentrum Deutschland, Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) in ver.di, BücherFrauen e.V., Mörderische Schwestern e.V., Das Syndikat – Autorengruppe Kriminalliteratur sowie dem Netzwerk Autorenrechte.
Diese und zukünftige Studien werden unter www.frauenzählen.de dokumentiert und ab 2019 auch in englischer Sprache unter www.counting-women.com präsentiert.
Die komplette Studie können Sie hier einsehen.
Sie finden außerdem ausgewählte Diagramme, das Logo, Zitate des Forschungsteam unter Media/Pressedownloads.